(Eine merkwürdige Geschichte von Hansrobert Habicht)
Gang
 
Früher hatte er einen recht flotten Gang drauf, kräftig schritt er aus und konnte mit den meisten Fußgängern mühelos mithalten, ja vielen lief er geradezu davon. Das war in seiner Jugend, und er lächelte damals höchstens mitleidig über Mitmenschen, die wegen irgendeines Gebrechens langsam gingen. Er strotzte vor Selbstvertrauen, alles, was er anpackte, gelang ihm ohne große Mühe. Als er älter wurde und die Sinnlosigkeit des äußeren Lebens immer mehr erkannte, verlangsamte sich nach und nach sein Tempo. Nicht nur beim Gehen, aber dort war es vielleicht am deutlichsten wahrzunehmen, wenn man hinschaute, was ja die wenigsten tun. Es dauerte ein wenig, bis er selbst die Veränderung bemerkte, zunächst schwankte die Geschwindigkeit noch stark in Abhängigkeit von der Tagesform. Wenn ihm sein langsamer Gang auffiel, so zwang er sich am Anfang noch zu einer Beschleunigung. Dabei redete er sich ein, nur vorübergehend außer Form zu sein. Als die sonst selbstverständlichen Erfolgserlebnisse ausblieben oder mehr und mehr zweifelhaft wurden, kam er nicht mehr gegen die Verlangsamung an. Er wollte es auch gar nicht mehr. Gebeugt schlich er durch die Gegend wie ein Insekt bei Kälte, kein Ziel konnte ihn mehr recht locken. Mitten in der Fußgängerzone blieb er plötzlich stehen und mußte, nachdem er einige Aufmerksamkeit erregt hatte, von Sanitätern und Feuerwehrleuten weggeschafft werden, »entsorgt« wie man zu der Zeit gerne sagte.


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