Der CBO
Es war zunächst nur so ein Gefühl. Ich habe schon immer gerne meine Umgebung beobachtet und Trends recht früh erkannt.
Leider konnte ich diese Fähigkeit selten für etwas Zählbares einsetzen. Es kam mir also so vor, als ob Projekte dann
gute Chancen hätten, realisiert zu werden, wenn sie jeglicher Vernunft wiedersprachen, aber griffig formuliert werden
konnten. Das bedeutet insbesondere, daß man in der Formulierung etwas vertrautes finden können muß. Und was wäre
vertrauter als Ausdrücke, denen man schon häufiger begegnet ist, Klischees beispielsweise, Inseln des
Wiedererkennens in einer sich immer schneller verändernden Umwelt. Die Sprache wurde rasch reicher an eigentlich
neuen Ausdrücken, oft Abkürzungen mit drei Buchstaben, die durch ausufernden Gebrauch bekannt wurden, ohne daß man
deren Sinn – so es einen gab – auch nur erahnen konnte. Kritiker dieser Entwicklung waren schnell mit einer Bezeichnung
bei der Hand: Bullshit. Das klang zunächst abwertend. Mir war aber sofort klar, daß man den Begriff sehr gut
instrumentalisieren kann. Die Skeptiker lachen darüber, dabei können sie den innewohnenden Mechanismus nicht stoppen:
Je höher der Bullshitfaktor (BSF), umso besser für ein Vorhaben, ein Produkt oder was auch immer. Am Anfang wurde ich
belächelt, aber inzwischen konnte ich die Entscheidungsträger meiner Firma von der Wirksamkeit meiner Methode der
BSF - Maximierung überzeugen und wurde sogar in die Geschäftsleitung berufen.
Ich trage stolz den Titel eines Chief Bullshit Officers.