Der Mann mit dem Mikrofon
Er wollte eigentlich nur Klavier spielen. Aber diese Jungs wollten eine Gitarrenband gründen. Sein
Kumpel aus der Schule empfahl ihn mit den prägenden Worten: »Ich kenne einen, der hat zwar
keine schöne, aber sehr kräftige Stimme!« So kam er dazu und hielt zum ersten Mal ein
Mikrofon in der Hand. Er sollte es nie wieder los werden.
Durch die Übung verlor sein Gesang das harte, kantige, und er fand zu seinem Stil. Sehr rasch
sogar. Als er mit seiner Schülertruppe beim Schulfest auftrat, war zufällig ein Impressario
anwesend, der das grandiose Talent ebenso zufällig entdeckte. Er engagierte ihn vom Fleck
weg, nahm ihn von der Schule (er war bereits volljährig) und machte ihn berühmt. Dem Mann
mit dem Mikrofon war das nur recht. Er wollte es allen zeigen, die über seine frühen
Sangesversuche gelästert hatten, den Mitschülern, Bandmitgliedern und vor allem seinen
Eltern.
Nun mußte er singen, ob er wollte oder nicht. Seine Popularität ließ nach einer Weile
erheblich nach, weil seine Art zu singen aus der Mode war. Er aber tingelte weiter über die
Dörfer. Aus den Hallen wurden Säle und Kneipen. Unbeirrbar sang er weiter seine alten Hits
und verkaufte wenige Exemplare seiner alten Schallplatten. Aus dem Begleitorchester war ein
Orgelspieler mit Begleitautomatik geworden, doch der Mann mit dem Mikrofon gab nicht auf. Mit einem
gammeligen Kleinlaster fuhr er mit seinem Begleiter, der gelegentlich wechselte, durch die Lande und
sang und sang und sang. Manchmal erkannte jemand ihn aus seinen besseren Tagen wieder und
spendete ihm Anerkennung oder etwas zu essen. Dann war der Mann mit dem Mikrofon froh.
Ansonsten wirkte er etwas teilnahmslos, wenn er nicht gerade seine Lieder sang. Dann trat ein
Leuchten in seine Augen, und er schien sich in höheren Sphären aufzuhalten.
Was hätte er machen sollen, er konnte doch sonst nichts außer singen?
Und er tat es doch gern!