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Der Mann mit dem Mikrofon

(Eine merkwürdige Geschichte von Hansrobert Habicht)
Er wollte eigentlich nur Klavier spielen. Aber diese Jungs wollten eine Gitarrenband gründen. Sein Kumpel aus der Schule empfahl ihn mit den prägenden Worten: »Ich kenne einen, der hat zwar keine schöne, aber sehr kräftige Stimme!« So kam er dazu und hielt zum ersten Mal ein Mikrofon in der Hand. Er sollte es nie wieder los werden.

      Durch die Übung verlor sein Gesang das harte, kantige, und er fand zu seinem Stil. Sehr rasch sogar. Als er mit seiner Schülertruppe beim Schulfest auftrat, war zufällig ein Impressario anwesend, der das grandiose Talent ebenso zufällig entdeckte. Er engagierte ihn vom Fleck weg, nahm ihn von der Schule (er war bereits volljährig) und machte ihn berühmt. Dem Mann mit dem Mikrofon war das nur recht. Er wollte es allen zeigen, die über seine frühen Sangesversuche gelästert hatten, den Mitschülern, Bandmitgliedern und vor allem seinen Eltern.

      Nun mußte er singen, ob er wollte oder nicht. Seine Popularität ließ nach einer Weile erheblich nach, weil seine Art zu singen aus der Mode war. Er aber tingelte weiter über die Dörfer. Aus den Hallen wurden Säle und Kneipen. Unbeirrbar sang er weiter seine alten Hits und verkaufte wenige Exemplare seiner alten Schallplatten. Aus dem Begleitorchester war ein Orgelspieler mit Begleitautomatik geworden, doch der Mann mit dem Mikrofon gab nicht auf. Mit einem gammeligen Kleinlaster fuhr er mit seinem Begleiter, der gelegentlich wechselte, durch die Lande und sang und sang und sang. Manchmal erkannte jemand ihn aus seinen besseren Tagen wieder und spendete ihm Anerkennung oder etwas zu essen. Dann war der Mann mit dem Mikrofon froh. Ansonsten wirkte er etwas teilnahmslos, wenn er nicht gerade seine Lieder sang. Dann trat ein Leuchten in seine Augen, und er schien sich in höheren Sphären aufzuhalten.

      Was hätte er machen sollen, er konnte doch sonst nichts außer singen? Und er tat es doch gern!

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