Silke

(Eine merkwürdige Geschichte von Hansrobert Habicht)
Silke ist 16. Was für ein Alter! Aber Silke ist nicht gerne 16. Sie wäre lieber älter. Mindestens 25. Oder wenigstens 18. Mit 18 wird man ernst genommen, denn man ist ja volljährig. Das geht über Nacht: heute dumm und 17, morgen komplett und 18. Noch zwei lange Jahre bis dahin. Nein, nur 22 Monate und 11 Tage. Silke ist Protest. Wie sie den Papa anschaut, wenn er ihr irgend etwas erzählt: der personifizierte Protest und nichts als ebensolcher. Wie froh sie ist, wenn sie aussteigen darf und der Vater und die Schwester weiterfahren müssen!
Silke
      Karin hat ein sehr einnehmendes Wesen. Sie liebt es, ihre kombinierte Schul- und Arbeitstasche in der Straßenbahn neben sich auf der Bank auszubreiten und Kandidaten für diesen Sitzplatz böse anzuschauen. Der Papa sitzt dabei gegenüber – cool wie Grönland – und schaut sich das Schauspiel gelassen bis grimmig an. Selbst als einmal ein älterer Herr ironisch fragte, ob dieser Platz noch zu besetzen sei, und das Töchterlein bissig erwiderte, wenn man frage, könne man sich hinsetzen, zuckte er kein bißchen. Bevor sie unter stummem Protest die Tasche, die stets eine Flasche Sprudel birgt, von dem Nachbarplatz entfernt, schaut sie demonstrativ auf andere freie Plätze. Man wartet förmlich darauf, daß einmal einer die Tasche einfach beiseite legt oder sich gar darauf setzt. Am besten in einer ansonsten völlig leeren Bahn. Aber dazu wird es kaum kommen. Karin ist dreist. Sie hat gute Chancen, in dieser wenig rücksichtsvollen Zeit prima klarzukommen.

      Papa ist der härteste. Bestimmt bei der Bahn. Er guckt als ob er einen gleich fressen wollte. Vor allem morgens. Er ist noch vergleichsweise jung für seine Töchter, hat sicher ‘ne 4 vorne. Das heißt im Klartext: noch über 15 Jahre! Jeden Tag, Montag bis Freitag, Sommer wie Winter. Die Töchter machen ihm doch Spaß. Eigentlich wollte er einen Sohn, aber nach dem zweiten Anlauf gab er auf. Jetzt ist er froh, die Mädels kommen voll nach ihm. Genau so kühl bis zur Widerwärtigkeit. Aber dessen ist er sich nicht bewußt. Wie mag die Frau dazu wohl aussehen?

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